Ein Streitgespräch zwischen dem Theologen und Pfarrer Tobias Meister und dem Physiker Sven Homann. Moderation: Moritz Hahn 

Hahn: Das Thema klingt eindeutig und zugleich bleibt da ein Fragezeichen. Homann: Für mich als Physiker ist das ein im Deutschen mehrdeutiger Begriff. Der physikalische Himmel wird im Englischen „sky“ genannt, der geistliche Begriff „heaven“ für Himmel ist verwandt mit dem Begriff „haven“, der sowohl Hafen als auch Oase als abgelegenen, aber beschirmten Bereich bedeutet. Diese feinen Unterschiede kennen wir nicht in unserer Sprache. 
Meister: Als Pfarrer kenne ich natürlich den Himmel mit Wolken und Regen als „das Sichtbare.“ Genauso glaube ich an den „unsichtbaren“ Himmel. Ich wiederhole mich: ich glaube! Hahn: Hier fängt die Schwierigkeit für den denkenden Menschen an. Glaube und Denken schließen sich also aus? 
Homann: Das ist das Problem. Ich kann auf zweierlei Weise in den Himmel sehen. Das Blau und die ziehenden Wolken. Ich kann aber auch den Himmel als etwas Unfassbares begreifen, so wie man Kindern erzählt, dass der verstorbene Opa jetzt „im Himmel“ ist. Was mutet man Kindern eigentlich dabei zu? Dass sie bereits zwischen Himmel und Himmel unterscheiden können? 
Meister: Kinder sind unbefangen und brauchen Bilder für ihre Vorstellungskraft. Aber genau genommen belügen wir sie. Das sage ich als Pastor, weil ich auch nicht erklären kann, wie man das Nichtvorhandensein eines geliebten Menschen beschreiben sollte. Das ist in der Religion ein echtes Problem, zu erklären, wie sich anschauliche Körperlichkeit in einen seelisch-geistigen Zustand wandeln kann. 
Hahn: Fängt das, was Sie als Problem beschreiben, nicht schon in den biblischen Erzählungen an? Jesu Auferstehung, seine Himmelfahrt? Und – sind diese unbegreiflichen Dinge nicht auch verantwortlich für den Abbruch des Religiösen im weltlichen Alltag? 
Homann: Als Naturwissenschaftler und Christ habe ich mich das oft gefragt, doch vielleicht gibt es ein Reich des für Menschen nicht Zugänglichen: Seelenwanderung? Wiedergeburt? In anderen Religionen sind diese Begriffe kein Tabu. Ist es wirklich undenkbar, dass der Geist den körperlichen Tod überlebt und in neuer Gestalt eines anderen Menschen weiter (wieder)lebt? Warum sollten unsere im Leben mühsam erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten mit unserem Tod enden, anstatt der künftigen Menschheit zu dienen? 
Meister: Die Idee ist faszinierend. Im Korintherbrief (1. Kor.15,44) heißt es: „Es wird gesät ein natürlicher Leib und wird auferstehen ein geistlicher Leib. Gibt es einen natürlichen Leib, so gibt es auch einen geistlichen Leib.“ Vielleicht ist der geistliche Leib die Vorstufe eines neuen natürlichen Leibes, also neuen Menschen mit seinen „angeborenen“ Fertigkeiten und Fähigkeiten? Was wissen wir von Gottes Absichten . 
Hahn: Kommen wir zur Hölle und dem Teufel. Darstellungen von ihm gibt es unzählige, auch die von der Hölle. Weit verbreitet ist das Bild vom Kessel, in dem die Verdammten schmoren. Homann: Physikalisch gesehen ist das natürlich Unsinn. Die Vorstellung von der Höllenglut könnte nach meiner Meinung abgeleitet sein vom Vulkanismus und seiner glühende Lavaschlünde, die alles Lebende verderben können. 
Meister: Die Hölle war lange Zeit das Schreckensbild des Christentums, der Ort ewiger Verdammnis zur Sühne der Sünden, die der Mensch begangen habe. Andererseits lehrt es, dass Jesus Christus durch seinen Tod stellvertretend für alle, die an ihn glauben, deren Sünden auf sich genommen habe. Man kann auch denken, dass die Drohung mit der Hölle in früheren Zeiten als Mittel der Disziplinierung gebraucht wurde, damit die Schäfchen brav ihrem Hirten folgen. Ein aufgeklärtes Religionsverständnis kann dieses Bild nicht mehr glaubhaft vermitteln. 
Hahn: Ist also nichts dran an dem Höllenbild? Nur eine Erziehungsmaßnahme? 
Homann: Ich glaube, – und das meine ich im echten Wortsinn – dass die Hölle als Bild ihre Berechtigung hat. Und zwar als Hölle auf Erden! Sehen Sie sich um auf der Welt: Krisen, Kriege, Katastrophen. Menschen in diesen Ländern oder Regionen stehen oft buchstäblich vor dem Nichts, wenn sie denn überhaupt mit dem Leben davongekommen sind. Hungersnot, fehlendes sauberes Wasser, ein Dach – wie auch immer – über dem Kopf: Dinge, die uns selbstverständlich sind, sind dort Mangelware. 
Meister: Die Hölle auf Erden – dieser Vorstellung kann ich auch etwas abgewinnen. Nicht der Feuertopf, sondern die unsäglichen Leiden damals in Auschwitz und das in den Dürregebieten Afrikas verhungernde Kind heute als Bild vor unseren Augen. Nur, und das ist der große Unterschied, das ist nicht nach Gottes Willen, so wie wir ihn verstehen. Bleibt eine entscheidende Frage: Krise unseres Verständnisses vom („lieben“) Gott oder menschengemachte Hölle gottloser (teuflischer) Menschen? Hahn: Vielleicht sehen wir Ostern und Himmelfahrt mal mit anderen Augen. Ich danke Ihnen für das Gespräch.                              

Anmerkung: Das Gespräch ist frei erfunden. Es hätte aber so stattfinden können, um Denkanstöße zu geben über das Hier und Jetzt, über Himmel und Hölle.

Manfred Stoppe

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