Wochenspruch: Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit. (Epheser 5,8b.9)
Psalm 48, 2 – 3 a.9 – 15
Wochenlied: AT-Lesung: Epistel: Evangelium: Predigttext:
EG 262 Sonne der Gerechtigkeit Jesaja 2,1-5
Epheser 5,8b-14
Matthäus 5,13-16
Johannes 9,1-7
Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, liebe Gemeinde,
in den Texten zum heutigen 8. Sonntag nach Trinitatis geht es um das Licht und um das Sehen.
Predigttext Johannes 9, 1 – 7
1 Jesus ging vorüber und sah einen Menschen, der blind geboren war.
2 Und seine Jünger fragten ihn und sprachen: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren ist?
3 Jesus antwortete: Es hat weder dieser gesündigt noch seine Eltern, sondern es sollen die Werke Gottes offenbar werden an ihm.
4 Wir müssen die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann.
5 Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.
6 Als er das gesagt hatte, spuckte er auf die Erde, machte daraus einen Brei und strich den Brei auf die Augen des Blinden
7 und sprach zu ihm: Geh zu dem Teich Siloah – das heißt übersetzt: gesandt – und wasche dich! Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder.
„Wer ist schuld?“ „Was habe ich getan, dass es mir so geht?“ „Warum straft mich Gott mit dieser Krankheit?“ So reagieren die meisten Menschen, wenn sie von einer schweren Krankheit oder einem Unfall getroffen werden. Wir Menschen wollen gerne einen Grund wissen, wenn das Leben eine andere Wendung nimmt als wir gedacht und geplant haben. Und wir fragen nach Gerechtigkeit. Was ist daran gerecht, wenn ein Kind so auf die Welt kommt, dass es lebenslang gepflegt werden muss, während viele andere kerngesund geboren werden? Und warum trifft der schwere Unfall den einen und zeichnet ihn für den Rest seines Lebens, während die andere weiterhin fröhlich und gesund leben kann? Das muss doch einen Grund haben.
So denken auch die Jünger von Jesus, als sie den Blinden vor dem Tempel sitzen und betteln sehen. Eine beliebte Erklärung lautet ja: Wem es schlecht geht, der hat Schlechtes getan und wird deshalb von Gott bestraft. Und bei jeder großen Epidemie behaupten Gruppen von Menschen, das sei eine Strafe für die Verdorbenheit der Menschen. Das war bei der Pest so, bei AIDS und jetzt bei Corona ist es nicht anders. Reflexartig suchen sie Schuldige, wenn etwas Schlimmes geschieht. Dann haben Angst, Enttäuschung und Wut ein Ziel.
Jesus macht dieses ganze Denken nicht mit. Für ihn ist Gott nicht der Richter, der belohnt und straft. Für Jesus ist Gott der gnädige Vater, der möchte, dass es uns, seinen Kindern, gut geht. Er möchte
alle, Gesunde und Kranke, Arme und Reiche, Starke und Schwache zusammenbringen in Gottes heilmachende Gegenwart. Aus diesem Vertrauen lebt Jesus. Für diese Überzeugung geht er von Ort zu Ort, predigt eine neue Zeit und heilt die Kranken. „Wir müssen die Werke Gottes tun.“ Das ist seine Mission und damit die erfüllt wird, sollen möglichst viele mitwirken und daran teilnehmen.
Wie wird der Blinde sehend? Kann er nun tatsächlich mit seinen Augen sehen? Oder ist er vielleicht in einem anderen Sinn sehend, erkennend geworden? Hat ihn ein inneres Licht erleuchtet, so dass er sich selbst trotz oder wegen seiner Behinderung als wertvoll, als vollständig, als heilig erlebt – und, mindestens genauso wichtig – dass ihn die anderen Menschen als ganz, als heil erleben können? Er kann vielleicht nicht mit seinen Augen sehen, aber er kann besser hören, riechen und fühlen als andere.
Der Wochenspruch aus dem Epheserbrief ruft uns auf, dieses Licht in uns und in allen anderen zu entdecken. Dann wird unsere Welt eine andere, schönere:
Wandelt als Kinder des Lichts; die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.
Keiner von uns ist perfekt. Bei manchen sind Einschränkungen deutlich erkennbar, bei anderen sind die „Macken“ nicht gleich wahrnehmbar. Doch in Gottes Gegenwart zählen wir alle gleich, wir alle sind heil und heilig. Nicht Leistung und absolute Gesundheit sind das Wichtigste, sondern ein gutes Miteinander, ein Lachen, Anerkennung für unser Gegenüber. Die Gemeinschaft aller Menschen kann unser Leben bunter und vielfältiger machen. Der Jerusalemer Talmud, eines der wichtigsten Traditionswerke des Judentums, sagt: „Wer einen Schwarzen, einen Roten, einen Weißen, einen Ungestalteten oder einen Gedrungenen sieht, spricht: ‚Gesegnet der, welcher die Geschöpfe unterschiedlich macht!‘ “
Einen gesegneten Sonntag, bleiben Sie behütet!
Ihre Dr. Ina Helmstädter-Rösner