Eine sperrige Überschrift? Gewiss, vor allem aber nicht gerade eine Überschrift, die zum Weiterlesen anregt. Dennoch möchte ich Ihnen versuchen, diese Schreibidee schmackhaft zu machen. Ich denke, das Paradies steht bei allen Menschen für ein unbeschwertes Leben, ein Leben, das in Gottes Hand geborgen seinen Lauf nimmt. Ohne Angst, materiell bestens versorgt, und was das Beste ist, wir wären unsterblich und könnten nur noch genießen. Was könnte sich eine Pfarrerin oder ein Pfarrer Besseres für seine „Schäfchen“ wünschen! Doch es ist, wie die Bibelfesten wissen, anders gekommen. Der Mensch hat seinen eigenen Kopf, widersetzt sich den Geboten Gottes und steht nun, nach der Vertreibung aus eben diesem Paradies, vor dem Scherbenhaufen seiner Existenz. Haben wir damit das Paradies verspielt? Ich behaupte: keineswegs. Was zunächst als höchste aller Strafen für den Menschen daherkommt, ent- puppt sich eigentlich als ein Glücksfall. Gut, unsterblich wären viele gern, angstfrei und materiell abgesichert ebenso. Was aber tun wir dann? Schlaff in einer Hängematte liegend ins Blaue sehen und einen Cocktail genießen? Bloß – wer mixt uns den Cocktail? Da alle Menschen nur genießen wollen, müsste es ja irgendwen geben, der unsere Wünsche erfüllt. Wenn niemand arbeitet, also in irgendeiner Weise tätig ist, gibt es auch keine Dienstleistungen. Wenn wir Hunger haben, müssten wir uns die Banane schon selbst pflücken – eine zugegeben unsinnige Vorstellung. Um den Unsinn gedanklich auf die Spitze zu treiben, sei an die Unsterblichkeitsvorstellung erinnert. Die Menschen sind halt da, auch die in meiner eigenen Umgebung. Sie altern nicht und sind alle lieb und nett, und da niemand irgendwel- che Bedürfnisse hat, bleibt alles, wie es ist – kein Wandel, kein Fortschritt, nur ein ewiger Stillstand. Diese Art des „Lebens“ ist kein theologisches Ideal, eine Pastorin oder einen Pastor bräuchte es nicht – was sollte er oder sie auch predigen? Nein, gerade der oben genannte Scherbenhaufen unserer Existenz ist der Motor unserer menschlichen Entwicklung. Wir müssen aktiv werden, uns betätigen, in welcher Rolle auch immer, um unser Dasein zu sichern – kurz gesagt: arbeiten. Wer arbeitet, schafft Werte, die die Mitmenschen brauchen. Vom Landwirt auf dem Acker bis zum Autokonstrukteur, von der Krankenschwester bis zum Schornsteinfeger – jede und jeder schafft in seinem Beruf ein Stück Lebensqualität. „Im Schweiße ihres Angesichts“ müssen zumindest in Europa die meisten Menschen, anders als in Afrika (nicht we- gen der Hitze!), nicht mehr arbeiten. Und in der Art und Weise, wie wir „uns die Erde untertan“ gemacht haben, haben wir vielfach keineswegs eine Glanzleistung vollbracht, wie uns die Umweltsünden plastisch vor Augen führen. Der Mensch neigt in seinem Tun dummerweise oft zur Übertreibung: Das Geschaffene ist ihm nicht gut genug, alles soll in jeder Weise „besser“ werden, wir neigen zur „Verschlimmbesserung“ mit dem Ergebnis neuer Unzufriedenheit. Aus Unzufriedenheit entstehen dann Gier, Raub oder schlimmstenfalls Kriege. Und dieses Rad dreht sich leider bis heute! Wo bleibt folglich die Rolle der Pastorin oder des Pastors? Ich sehe sie in der Rolle einer Leitplanke, ja, Sie

lesen richtig, einer Leitplanke, die die Mitmen- schen nicht von der Bahn abkommen lässt, die ihnen hilft, in allen, auch bedrohlichen, Lebenslagen Spur zu halten. Die Lebensspur so zu halten, dass sie uns selbst Gewinn bringt und dem oder der Anderen nicht schadet, sollte unser Lebensmotto sein. Doch was ist, wenn man durch die Umstände ins Schlingern gerät, keinen Halt findet, weil Krankheit, der Verlust der oder des Nächsten schmerzen? Wenn man nicht mehr ein noch aus weiß und in dieser Ausweglosigkeit jemanden braucht, ist Hilfe gefragt. Der verständliche Wunsch nach einem paradiesischen Leben bleibt eben nur ein Wunsch, und nichts ist geeigneter als eine Pfarrerin oder ein Pfarrer voller Menschenkenntnis, um Wunsch und Wirklichkeit wieder zusammenzuführen und im besten Falle den Glauben zu stärken. Insofern ist die Theologie, die Lehre vom Gottesglauben, nicht nur eine Leitplanke gegen das Abrutschen in die Unmenschlichkeit und damit in die Gottesferne, sondern eine Schiene, auf der das Leben ohne Nöte und Sorgen dahingleiten kann.

Wenn Sie jetzt der Meinung sind, diese Ausführungen dienen der Werbung für den Pfarrberuf, so liegen Sie nicht ganz falsch. Sicher, es gibt auch andere Hilfsangebote durch Psychologen und/oder Sozialarbeiter*innen. Warum also Werbung für den Glauben? Weil wir ein Kirchenblatt sind? Na klar, antworte ich ziemlich flapsig – doch was macht den Unterschied? Weil wir eben nicht mehr im Paradies leben, brauchen wir nicht nur eine Hilfe auf Erden. Nein, wir brauchen auch eine Hoffnung auf eine gute oder bessere Zukunft – wo und wie auch immer. Eine der Kernaufgaben der Kirche und damit des Pfarrpersonals – klingt eher betriebswirtschaftlich, ist aber nicht falsch – ist das Versprechen der Hoffnung und nicht das Ausharren in Verzweiflung. Ich wünsche Ihnen zum Beginn eines neuen Jahres gewiss kein Unglück, auch wenn Corona noch nicht vorbei ist, vielmehr wünsche ich Ihnen eine große Portion Hoffnung – vielleicht auch in unserer Kirche! Wieder Werbung? Na klar! 

Manfred Stoppe

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