In diesem Jahr bündelt sich im Novem- ber Ende und Anfang. Der Toten- und Ewigkeitssonntag, letzter Sonntag im Kirchenjahr, mit der Erinnerung an all unsere lieben Verstorbenen, deren Na- men verlesen werden, verbunden mit der Hoffnung auf Auferstehung, die durch das Licht Christi, die Kerzen, symbolisiert sind. Und wir wissen: Die Liebe ist stärker als der Tod. In unserem Herzen leben unsere Verstorbenen weiter – erst recht bei Gott, in dessen Hand alle Namen geschrieben sind, auch diejenigen, derer sich hier auf Erden scheinbar niemand erinnert. Bei Gott ist niemand vergessen und in Gottes Liebe geborgen. In Gottes Liebe geborgen – das ist auch die Zusage ganz am Anfang, bei der Geburt und Neuwerdung von Leben. Der erste Sonntag im Kirchenjahr, der auch noch in den November fällt, ist der erste Advent. Die Ansage des neuen Lebens. Das Leben geht weiter. Wir sind eingebunden in den Kreislauf von Vergehen und Werden und in ein großes Geheimnis von guten Mächten wie der Liebe. Jede Art von Liebe hier auf Erden ist ein kleiner Abglanz der großen Liebe Gottes und hat Teil an der Ewigkeit. Die Liebe ist die stärkste Macht. Ohne Liebe ist Leben nicht möglich, und sie vermag scheinbar Unmögliches. In der Adventszeit hören wir die Lesungen von Zacharias und Elisabeth, die in hohem Alter noch El- tern für Johannes (den späteren Täufer Jesu) werden. Wir hören in der Weihnachtsgeschichte von der Liebe, die jenseits aller Körperlichkeit Unendliches vermag: Maria wird durch Gottes Kraft und Liebe Mutter für ein Kind. Es ist für sie eine Leihgabe der göttlichen Heilsgeschichte… Auf den Feldern von Bethlehem wird die Liebe Gottes sozialpolitisch: die Randgruppen, die Ärmeren der Bevölkerung, werden die Ersten sein, die das Wunder der Men- schwerdung sehen. Die Letzten werden die Ersten sein. Und im Stall von Bethlehem ist Gott in einer Reihe mit allen, die „ganz unten“ sind. Die Liebe verbindet den Menschen mit der ganzen Geschöpflichkeit: ganz nah an Ochs und Esel, ganz nah bei den Schafen… Alle hängen voneinander ab. Vom letzten Sonntag des Kirchenjahres kommend – mit Schmerz und Verlust und doch Dankbarkeit, Menschen gehabt zu haben, die uns lieben gelehrt haben, die uns Nähe und Geborgenheit, Weisheit und Menschlichkeit mit auf den Weg gaben und deren Verlust nun umso schmerzlicher ist – von diesem Sonntag herkommend schauen wir auf den neu- en Weg, das Weitergehen mit all dem Reichtum der Begegnungen auf unserem bisherigen Weg. Wir erfahren die Liebe Gottes in so vielfältiger Weise. In einem Seminar lehrte uns eine Psychologin den Zusammenhang von Eros und Aggression. Eros ist nicht nur die leibliche Sehnsucht, sondern auch das Glühen und die Leidenschaft für Themen, für Aufgaben, für das Leben in seiner Gänze. Wofür brennen Sie? Wofür setzen Sie sich ein? Was und wer ist Ihnen wichtig? Hierin zeigt sich Gottes Liebe und Lebensenergie!

Auch das ist immer wieder ein Stück des Wunders der Weihnacht, weil neues Leben mit jedem Moment der Liebe für das Leben erfahrbar wird. Und Aggression? Dieser Begriff ist zunächst negativ behaftet; er meint jedoch – vom lateinischen aggredi (herantreten) betrachtet – das Anpacken und Wahrnehmen des Lebens und der Aufgaben. Das Leben sehen, wahrnehmen, annehmen, anfassen, herantreten, mitgestalten ; auch das sich-Ereifern und der heilige Zorn, wenn es um Ungerechtigkeit oder Verletzungen geht, gehören zur Lebensenergie. Solange wir für das Leben brennen, haben wir auch die Energie, sind wir in Bewegung. Das Gegenteil ist Apathie, Erstarren… Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen eine gesegnete Weihnacht mit Energie und Bewegung, mit innerer Ruhe und Liebe zum Leben, zu den Aufgaben, vor die uns Gott stellt, zu den Menschen, zu sich selbst, zu Gott.

Vielleicht gehen Sie einmal ganz bewusst durch den Tag – wo auch immer Sie sind – und schauen den Menschen ins Gesicht, ganz absichtslos, nur wahrnehmend: da ist Gott! Und: schauen Sie in den Spiegel! Möge das neue Jahr mit vielen Erfahrungen von Gottesbegegnung für Sie erfüllt sein, auch der inneren Kraft, bei sich und in sich zu sein, wenn es an Aufgaben und äußeren Themen turbulent wird. Verlieren Sie sich nicht und die Wahrnehmung für das göttliche Gegenüber im Hier und Jetzt. Ich danke Ihnen allen in der Gemeinde für viele Momente der Gottesbegegnung und Lebensenergie, die nach dem neuen Tag greift. Eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit und ein behütetes neues Jahr wünscht Ihre Pastorin Birgit Rengel

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