Sie meinen, das seien unvereinbare Gegensätze? Auf den ersten Blick mag das stimmen, aber auf den zweiten wird man feststellen müssen, dass die Gegensätzlichkeit eher herbeigeredet wird. Und das sage ich als Nicht-Physiker, der die übliche Schulphysik kennt und – nun ja – sich ein wenig belesen hat. Es geht auch nicht um die Fülle der Physik, sondern um die Dinge, die uns täglich begegnen, wie beispielsweise die Frage, welche physikalischen Bedingungen für unser Klima gelten. Erst wenn ich das verstanden habe, kann ich die Auswirkungen erkennen, oder besser gesagt, über die Folgen für unser Leben nachdenken. Genug der Vorrede – die letzten drei Sommer waren (für unsere Breiten) viel zu heiß. Und wie heißt es so schön – des Einen Freud, des Andern Leid. Schön ist etwas anderes, wenn wir zusehen müssen, wie unsere Wälder den Hitzetod sterben, auch wenn wir braun gebrannt aus dem Urlaub zurückkehren. Bleiben wir beim Beispiel der Wälder. Sie waren und sind noch immer ein Erholungsfaktor, für jeden vielleicht anders, aber dennoch schenken sie uns Ruhe, und ihr Grün belebt unsere Seele, das ist vielfach belegt. Aber Wälder können noch mehr: Sie geben jede Menge Wasserdampf in die Atmosphäre – und nicht zuletzt den Sauerstoff, der uns atmen lässt. Außerdem „kühlen“ sie darum ihre Umgebung. Das ist praktische Physik!! Wenn die Wälder absterben, sterben auch wir den „wüstenhaften“ Hitzetod!
Jetzt kommt der Glaube ins Spiel: Dein Wille geschehe! Soll doch „der da oben“, also Gott, die Dinge zurechtrücken, wenn er so allmächtig ist, wie behauptet wird. Doch bleiben wir beim Religiösen – wem wurde die Schöpfung zur Pflege übergeben? Dem Menschen! Und dieser Mensch – letztlich wir alle – beutet sie nach seinen Wünschen aus. Und nun wird es kritisch. Ist der Mensch der Schöpfer und uneingeschränkte Herrscher der Welt oder muss er sich beschränken? Beschränkung bedeutet Verzicht. Schon wieder, hat Corona nicht gereicht? Das ist der wunde Punkt unse- res Daseins: Wir sollen nicht nur Abstand halten, nun sollen wir auch noch andere Beschränkungen hinnehmen. Hier setzen die sogenannten „Querdenker“ mit ihren Thesen an, die sowohl die Pandemie als auch den Klimawandel als Spinnerei abtun, deren einziger Zweck darin besteht, die Menschen und ihre Freiheit zu unterdrücken. Treibhausgase, die unsere Atmosphäre aufheizen und das Waldsterben befördern? Alles übertrieben, denn ich will automobil sein, fliegen können, wohin und wann ich will, und Fleisch essen, soviel ich will. Und das wollen Millionen, wenn nicht gar Milliarden Menschen! Dein Wille geschehe? Kümmert mich nicht, mein Wille geschehe! Das Grundproblem ist dies – selbst wer die Bitte des Vaterunsers als gestrig abtut und von Religion nichts wissen will, kommt um die Kernfrage nicht herum: Kann ich als Mensch machen, was ich will, oder muss ich die Gesetze der Physik beachten, wenn ich auch in Zukunft menschlich leben will?
Unser Kosmos ist nun einmal so eingerichtet, dass wir seinen Gesetzen gehorchen müssen, egal ob es sich um die Schwerkraft handelt oder um das Aufheizen unserer so anfälligen Atmosphäre. „Dein Wille geschehe“ heißt nichts anderes! Denn die nächste Zeile „wie im Himmel so auf Erden“ mahnt uns, beides im Blick zu haben: die Erde und den Kosmos, von dem die Erde abhängig ist. Wer sich gegen den Kosmos (Gottes) versündigt, hat die Folgen zu tragen: Erderwärmung, Waldsterben, Gletscherschmelze – die Beispiele ließen sich weiter verlängern. Wir müssen also Reue zeigen – im Klartext gesprochen: die Erde wieder für alle Lebewesen wohnlich gestalten – oder es drohen uns Gefahren, deren Folgen wir nur erahnen können. Klingt das nach dem Zeigefinger eines übereifrigen Pädagogen? Manche mögen dies so sehen, aber mal ehrlich, wer läuft sehenden Auges in ein fahrendes Auto? Vielleicht helfen solche banalen Vergleiche, das Verständnis zu wecken für einen pfleglichen Umgang mit unserer Schöpfung. „Dein Wille geschehe“ meint nicht das Abschieben der Probleme auf einen noch nicht einmal sichtbaren Gott. Vielmehr bedeutet es eine Unterordnung unter die Schöpfung und ihre Naturgesetze und dem ihr zugrunde liegenden Kosmos. Für viele Zeitgenossen heißt Unterordnung, Befehlsempfänger zu sein – ein böses Wort! Aber eine Pandemie (Natur!) oder ein drohen – der Klimawandel (Natur!) müssen uns wachrütteln, dass Unterordnung auch Aufbruch bedeuten kann, die Dinge zu ändern, erfinderisch zu sein in der Seuchenbekämpfung wie in der Änderung von Lebensgewohnheiten. Denn nur der erfindungsreiche, schöpferische Mensch kann zum Ebenbild Gottes taugen. Das wiederum ist nicht nur eine Sache der Physik und anderer Naturwissenschaften, sondern auch eine Sache des Glaubens. Und der macht uns stark, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern der Zukunft mutig entgegenzutreten. Nur die Mutigen sind bereit zur reuigen Umkehr, seien Sie dabei!
Manfred Stoppe