Sie hatten Jerusalem verlassen und waren von dem Ort geflohen, an dem innerhalb von drei Tagen Tod und Auferstehung geschehen waren: nicht fassbar – die Lebenspläne innerhalb weniger Tage zerplatzt wie eine Seifenblase, das eigene Lebenskonzept zerbrochen… Sie flohen von Jerusalem und waren auf dem Weg nach Emmaus, einem nahegelegenen Ort, dem heutigen Abu Gosh.
So sehr waren sie in sich versunken, im Gespräch miteinander vertieft beim Versuch, das Erlebte zu verstehen, dass sie die Welt um sich herum nicht wahrnahmen. Erst als er sie anspricht, bleiben sie stehen, schauen sie auf.
Auf die Frage, was sie denn beredeten, antworten sie traurig: „Bist Du der einzige unter den Fremden in Jerusalem, der nicht weiß, was in diesen Tagen dort geschehen ist?“
Und der scheinbar Fremde fragt:“ Was denn?“
Und nun erzählen sie, vielleicht auch von ihrer scheinbaren Gottverlassenheit, von ihrer Trauer, ihrem Nichtverstehen, wie es weitergehen soll…
Und sie erkennen ihn immer noch nicht, merken nicht, dass der auferstandene Christus, um den sie als seine Jünger trauern und dessen Auferstehung, wie ihnen berichtet wurde, für sie nicht begreifbar ist, neben ihnen hergeht und um alles weiß, aber sie wie ein guter Therapeut reden lässt, ihnen Impulse gibt, nachfragt, damit sie sich alles von der Seele reden können. Danach erst gibt er ihnen eine neue Sichtweise, deutet ihr Erlebtes von der Schrift her, vom Gottesplan, vom Heilsplan…- so als wollte er sagen: „Habt Ihr es schon einmal von dieser Seite betrachtet?“.
Gute Therapeuten hören zu, gehen ein Stück des Weges mit in der Lebensgeschichte eines Menschen, aber dann unterbrechen sie den gewohnten Gedankengang, setzen einen anderen Impuls, der hilft, das Erlebte von einer anderen Sicht zu betrachten, zu verarbeiten, damit Weiterleben gelingt.
Inzwischen waren sie am Haus in Emmaus angekommen. Orientalische Gastfreundschaft und die schnell einbrechende Dunkelheit veranlassen zur Einladung, und so sagen die beiden Jünger:“ Herr, bleibe bei uns, denn es will Abend werden, und der Tag hat sich geneigt.“
Und nun wird der Gast zum Gastgeber: er kommt ins Haus, bricht das Brot und reicht es ihnen… – Aber der scheinbar Fremde tut dies, um an eine vertraute Situation aus der Vergangenheit anzuknüpfen, die ihnen hilft, das Jetzt und Hier zu begreifen: Ob selbst erlebt oder erzählt bekommen – mit dem Brot-Brechen und der Tischgemeinschaft, mit den Worte der Zuwendung und der Fürsorge, dabei verknüpfen sie sofort die Person Jesus. Und nun „gehen ihnen die Augen auf“. Sie erkennen den Auferstandenen. Der also, von dem sie sich verlassen fühlten, war die ganze Zeit an ihrer Seite, hörte zu, begleitete und versorgte sie sogar in ihrem eigenen Haus. Erst im nachhinein konnten sie dann auch den Gesprächsverlauf auf dem Weg deuten. Rückblickend können auch wir erst so manche Begegnung in unserem Leben als heilend, heilbringend deuten.
Als sie nun sahen, verstanden, begriffen mit Herz und Verstand, konnten sie wieder dahin zurückkehren, wovor sie geflohen waren: vor dem Ort, vor der Situation, vor sich selbst, vielleicht auch vor der Jünger*innenfamilie.
Sie kehren nun nach Jerusalem zurück und können mit den anderen ihre Erfahrung teilen, dass das Leben weitergeht, dass es verändert ist, wie der Mensch, um den sie trauerten, verändert ist, aber doch da – nur verwandelt.
Wo werden Weggeschichten zu Ostergeschichten, zu Erfahrungen, die trotz allem Schweren ins Leben führen und zu Neuanfängen verhelfen können?
Diese exemplarische Ostergeschichte (nachzulesen in der Bibel bei Lukas 24,13-35) kann auch zur Verkündigung bei Konfirmationen passend sein. Mut machen, dass da einer ist, der begleitet, der neue Sichtweisen auf schwere Situationen ermöglicht, der aber auch aushält, dann stärkt…
An diesem Sonntag hätte es in vielen Gemeinden die Konfirmationen gegeben, die vielfach nun erneut pandemiebedingt in den Herbst verlegt sind.
Liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden – so ist nun dieser Text Euch gewidmet. Möget Ihr immer jemand an Eurer Seite haben, der Euch auf Eurem Weg begleitet, ein Stück des Weges mit Euch geht, Euch unterbricht und aufschauen lässt, wenn Ihr in Sorgen versunken seid, der Euch eine neue Sichtweise und Deutungshilfen gibt, damit Erlebtes verarbeitet werden kann, der Euch nährt und Kraft gibt, neu zu beginnen. Seid behütet!
Pastorin Birgit Rengel, Pfarrerin an St. Christophorus und Vakanzpfarrerin an St. Petri/ Emmerstedt