Zum Anfang eine wahre Geschichte, die sich so zugetragen hat: Eine Erstklässlerin holt sich während der Pause einen Eishockeyschläger – wo immer der auch in der Schule verwahrt wurde – und schlägt einem Viertklässler (!) damit ins Gesicht. Der Grund? Er „liebe“ sie nicht mehr! Der Junge trägt erhebliche Blessuren im Gesicht davon.

Frage: Wo und in welcher Zeit leben wir eigentlich? Die körperliche Gewalt ist, so folgere ich aus dem Vorfall, bereits in der Grundschule normal. Normal? Auseinandersetzungen zwischen Schülern in der Pause hat es immer schon gegeben, meist ging es aus der Sicht der Aufsichtführenden um „Kleinigkeiten“ – zumindest aus der Sicht der Erwachsenen. Doch warum erzähle ich diese Begebenheit? Sie zeigt, dass das Gewaltpotenzial bereits die Jüngsten erfasst hat. Statt miteinander zu reden, ja sogar mit Worten zu streiten, wird unversehens oder wie im Beispiel gezeigt planvoll zugeschlagen, um vermeintliche Interessen durchzusetzen. Wie passt das Ganze nun zum Thema dieser Ausführungen?

Die besagte Schülerin hat von (einem) Gott vielleicht noch nie gehört, es ist auch nicht verbürgt, ob sie getauft ist oder überhaupt am Religionsunterricht teilnimmt. Die Gewissheiten von „früher“ gelten nicht mehr – nämlich, dass jedes Kind wie selbstverständlich seit der ersten
Klasse darin unterrichtet wird. Wie sollte sie von einem Gottesbild wissen, dass von der Liebe zum Nächsten geprägt ist
und Gewalt verdammt?! Zum andern ist es – trotz frühkindlicher Erziehung im Kindergarten – in vielen Elternhäusern nicht mehr selbstverständlich, dem Nachwuchs Respekt Anderen gegenüber zu vermitteln. Wer dies anzweifelt, braucht nur die Lehrkräfte der ersten
Klassen zu befragen, wie es um die moralische Erziehung der Schülerinnen und Schüler bestellt ist. Insofern ist der Religionsunterricht in den Schulen unverzichtbar, zumal er durch die Verfassungen geschützt ist. „Der Religionsunterricht ist an den öffentlichen Schulen ordentliches Lehrfach. Für mindestens zwölf Schülerinnen oder Schüler desselben Bekenntnisses ist an einer Schule Religionsunterricht einzurichten.“ (§124
Nds. Schulgesetz) Es geht dabei überhaupt nicht um die „Missionierung“ von Schülerinnen und Schülern, sondern um die Möglichkeit, die Grundlagen der Religion zu erfahren, Glauben wachsen zu lassen und verschiedene (!) Religionen kennenzulernen. Mit anderen Worten, es geht nicht um konfessionsgebundenen Unterricht, sondern um die Religion, auch die islamische, um den Kindern ein Bewusstsein zu vermitteln, was Religion für die Menschen bedeutete und immer noch bedeutet. Es geht darum, ihnen zu zeigen, dass nicht wir Menschen über den Lauf der Dinge im Leben bestimmen, sondern dass eine Kraft vorhanden ist, die uns leitet, ohne dass wir über sie verfügen. Schon jungen Menschen muss klar sein, dass nicht unsere heutige konsumorientierte Lebensweise mit allen ihren – oft negativen – Begleiterscheinungen das Maß aller Dinge ist, sondern dass ein „gottesfürchtiges“ Leben – was für ein altertümliches Wort – das Überleben der Menschheit sichern kann. Bescheidenheit und Dankbarkeit, auch Begriffe, die vielfach aus der Mode gekommen sind, als Lebensmotto zu begreifen, beruhen eben auf diesem Gottesbild, das uns gerade nicht als Übermenschen begreift, die die Lebensgrundlagen unserer Erde zu zerstören im Begriff sind. Gläubige Menschen haben einen „Normenkompass“, der ihnen zeigt, was uns möglich ist und was uns schadet.

Ausbeutung sowohl von Mitmenschen als auch von natürlichen (gottgegebenen) Ressourcen ist untragbar. Ein Ego, das sich nicht ein- und unterordnen will, nur das eigene Ich losgelöst von den Ereignissen und Problemen der Welt, wie zum Beispiel Krieg oder Gewaltkriminalität,
betrachtet, missachtet jegliches Gottesbild!

Und das gilt für alle – vom russischen Präsidenten bis zum Kinderschänder. Aber wo anfangen? Viele Menschen sehen sich überfordert, solchen moralischen und/oder religiösen Vorstellungen zu folgen. Beginnen wir im Alltäglichen: Gibt es noch „Bitte“, ein „Danke“, oder ist jedes Tun selbstverständlich? Gibt es noch Rücksichtnahme, wenn die alte Dame mit dem Rollator nicht schnell genug in den Bus einsteigt? Trete ich
noch für einen schwächeren Schüler ein, der von Mitschülern gehänselt wird? Wie viele Beispiele könnte man aufzählen …
Konkrete Anweisungen für diejenigen, die sich nicht an die Spielregeln halten – lass das, hör auf – sind ein erster Schritt.

Hinsehen und Hinhören – ein weiterer Schritt, wenn es gilt, Mitmenschen (biblisch: dem Nächsten) zu helfen, sei es auch noch so banal – über eine vielbefahrene Straße, bei Behördengängen oder Besorgungen und, und … Die alltäglichen kleinen Aufmerksamkeiten anderen gegenüber sind es, die wir brauchen und die viele wie selbstverständlich meistern, ohne das Gottesbild demonstrativ vor sich herzutragen. Nein, die kleinen Gesten der Nächstenliebe entstehen meist zufällig. Und wer sich ihnen nicht verschließt und verantwortungsvoll handelt,
trägt – vielfach unbewusst – dazu bei, das Bild des liebenden, den Menschen zugewandten Gottes zu stärken.


Manfred Stoppe

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