Wie füllen Sie diesen Begriff, liebe Leserin, lieber Leser? Würde des Alters, Würde durch ein Amt, Würde durch Aussehen? Würde durch Lebensumstände? Das sind alles Bedingungen, an die der Begriff „Würde“ geknüpft ist und die das Fehlen dieser Kriterien mit dem Fehlen von Würde gleichsetzt. Der evangelische Theologe Wilfried Härle macht darauf aufmerksam, dass das biblische Menschenbild den Begriff „Würde“ bedingungslos zum Sein setzt: Jeder Mensch hat allein durch das Menschsein Würde! Es ist „nützlich, die Menschenwürde als eine allen Menschen gemeinsame Größe zu unterscheiden von den zwischen Menschen differenzierenden Formen und Graden von Würde (…). Jene unterschiedlichen Formen und Grade von Würde sind abhängig von den zufälligen Gegebenheiten des Lebens, müssen erst im Laufe einer Biografie durch Bildung, Begabung und / oder Leistung (…) erworben wer- den und können auch wieder verloren gehen, sie werden teilweise gesellschaftlich zuerkannt und dann gelegentlich auch wieder aberkannt, sie können bloß angemaßt oder sachlich begründet sein, und durch sie werden Unterschiede zwischen Menschen markiert. All das gilt für die Menschenwürde nicht. (…) Wür- de ist ein ‚Wert‘, den eine Person in sich trägt und dessen Anerkennung von ih- rem Gegenüber gefordert ist. (…) ‚Würde ist Anrecht auf Achtung‘, und ‚Menschenwürde ist das mit dem Dasein als Mensch gegebene Anrecht auf Achtung als Mensch‘. Biblisch-theologisch leiten wir diese Würde von der Gottesbeziehung ab; jeder Mensch ist ein Ebenbild Gottes und steht immer in Beziehung – zu Gott und zum Menschen. Begegnung und Beziehung sind also bei der Definition von Würde inkludiert: Ein Begegnungszusammenhang! Jedes Ausschließen von Bezug und Beziehung, jedes Isolieren beraubt das Gegenüber dieser selbastchen Würde! Beziehungsgeschehen be- deutet: einander in den Blick nehmen – und damit zusammenhängend die Frage: Wie sehen wir einander an? Wie denken wir voneinander? Nach der o.g. Definition von Menschenwürde bedeutet dies: Wir können also gar nicht anders als „groß vom Menschen denken“ (W . Härle). Bedingungslos! Diese Bedin- gungslosigkeit zeigt sich in der Arbeit von SOLWODI. Durch den Arbeits- kreis in unserer Gemeinde, durch die Besuche von Schwester Dr. Lea Ackermann bei uns in Helmstedt und durch die Zusammenarbeit mit Sr. Paula Fiebag, Sr. Dominica Steudler, Luca Lehmann, Dagmar Paul-Siller von SOLWODI Niedersachsen e.V. sind wir auch in Helmstedt in unserer kleinen Stadt für dieses so schwere und leider so präsente Thema sensibilisiert. Luca Lehmann konnte mit unserem Arbeitskreis inzwischen auch kulturelle Veranstaltungen und Podiumsdiskussionen in unserer St. Christophorus-Kirche organisieren, die viele Menschen zum Nachdenken über das aktuelle Prostitutionsgesetz gebracht haben.
In unserem Arbeitskreis befinden sich Ratsfrauen aus vielen parteilichen Richtungen, die auch in der Politik die Stimme erheben, wenn es um den Euphemismus geht, der mit der Legalisierung von Prostitution einhergeht. Euphemismus meint in diesem Fall das Schönreden von modernem Sklaventum, das die Freier als Täter ungestraft lässt. Euphemismus auch deshalb, weil die Ausbeutung und Erniedrigung von Frauen gesell- schaftlich etabliert wird, nicht nur geduldet, sondern gar gewollt! Wir teilen in unserer Gemeinde die Position von SOLWODI, dass jede Art von Prostitution unfreiwillig ist und ein anderer Lebensweg gewählt würde, gäbe es in der Biographie und innerhalb der Lebensumstände der betroffenen Frauen Alternativen! Helmstedt liegt an der A2 – Richtung Berlin, Richtung Polen. Viele Menschenhandelsopfer kommen auch aus den osteuropäischen Ländern und erleben selbst in unserer kleinen Stadt den Albtraum ihres Lebens. Der Menschenhandel geschieht nicht nur in den großen Ballungszentren. Und: er fängt in den Köpfen der Menschen an! Wit- ze und Stammtischparolen über Frauen, über Prostitution gehören dazu. Um dem entgegen zu wirken, setzt SOLWODI durch Sensibilisierung und Meinungsbildung in Vor- trägen und Informationsveranstaltungen, durch kritische Kunst und Kultur, auch Benefizkonzerte mit der Botschaft „Würde des Menschen“ Momente des Umdenkens! Wer dabei ist, denkt anders – denkt nach – steht auf: für die Würde der Menschen – für die Würde von Frauen und Mädchen, deren größter Feind das Thema „Macht“ ist: Macht über Menschen, Verdinglichung des Gegenübers! Ein mühseliger Weg. Und deshalb danke ich an dieser Stelle ganz besonders allen, die bei SOLWODI im Dienst an der Würde des Menschen alle Kraft geben! Danke, liebe Schwes- ter Lea, dass Sie einst diesen Verein gegründet haben! Wir bleiben dabei!
Birgit Rengel